Toilettentod

 
Sein Vater starb im Sitzen auf der Toilette, so wie auch dessen Vater fünfzehn Jahre zuvor. Darmprobleme und ein schwaches Herz. Hatten beide ihr Leben lang gearbeitet in einer Fabrik für Bügeleisen. Immer wenig Geld gehabt und früh geheiratet. Sahen ihre Kinder größer werden und ihre Frauen älter. Tranken am Wochenende Bier mit guten oder weniger guten Bekannten. Irgendwann waren die Kinder erwachsen, zogen aus. Dann sahen sie in den Spiegel, in ihre Falten bedeckten Gesichter.
Tim fürchtete sich vor dem Leben des Großvaters, das er nur aus Erzählungen kannte und vor dem seines Vaters. Fürchtete selbst so leben zu müssen und zog zu Freunden in eine WG am anderen Ende der Stadt. Arbeitete als Fahrradkurier und während der Adventszeit als Weihnachtsmann in einem Kaufhaus. Verliebte sich in den Engel, der Caroline hieß und ihm davon schwebte. Weinte allein in seinem Zimmer vor dem Tannenbaum aus Plastik. Dann klingelte das Telefon, er hatte gehofft, es sei sein Engel, den Rotz in der Nase hochgezogen. Es war seine Mutter. Schlechte Nachrichten. Sein Vater tot. Seine Mutter hatte ihn gefunden, wie er auf der Kloschüssel saß, den Kopf an die Wand gelehnt, die Augen verdreht. Noch lange machte sie sich Vorwürfe, gab der Weihnachtsgans die Schuld. Der Arzt drückte Tim die Hand. Beruhigungstropfen für die Mutter. Tim ging durch die Wohnung. Alles war still, nicht mal die Nachbarskinder schrien, nur die Dielen knarrten unter seinen Füßen. Er griff nach dem Foto, das auf dem Regal im Wohnzimmer stand. Sein Vater in jungen Jahren, seine Mutter im Arm. Er lachte, ahnungslos wie alles enden würde.








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